Spatial Justice

Spatial Justice

Die Anwendung des Kriteriums „Gerechtigkeit“ hat große Auswirkungen auf die städtebauliche Planung und führt mitunter zu Ergebnissen, die sich wesentlich von den gängigen, von funktionalistischen und deterministischen Denkweisen geprägten Lösungen unterscheiden. Voraussetzung für den kompetenten Umgang mit diesem Kriterium ist das Wissen von den philosophischen und gesellschaftswissenschaftlichen Definitionen von Gerechtigkeit und die Wahrnehmung der Gerechtigkeitsaspekte im Raum.

Spatial Justice wurde seit Mitte 2010 bis September 2012 im Rahmen der Vertretungsprofessur von Johannes Fiedler an der TU Braunschweig in zahlreichen Lehrveranstaltungen bearbeitet.

Susan S. Fainstein zu Gast an der TU Wien

Am 11. Oktober 2012, ist Susan FAINSTEIN, emeritierte Professorin an der Harvard Graduate School of Design (The Just City; Cornell University Press, 2010) auf Einladung von Johannes Fiedler zu Gast beim Auftakt der Lehrveranstaltung Spatial Justice Assessment Wien. Am Abend hält sie im Schütte-Lihotzky-Saal der TU Wien einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel: “Justice as the Governing Principle in Urban Development“.

Artikel von Robert Temel: „Die gerechte Stadt“, in: Architektur- und Bauforum 10, 22. Oktober 2012, Nr. 428, S. 3

Radical Standard – zur städtebaulichen Umsetzung von Spatial Justice

Johannes Fiedler . Melanie Humann . Manuela Kölke . Ulrike Schacht
Technische Universität Braunschweig, Institut für Städtebau
Broschüre, 10/2012

Since summer 2010, the Institute of Urban Design at TU Braunschweig has been investigating into Spatial Justice – with the objective of creating a shared understanding of what the application of justice criteria means to the discipline of planning and urban design.

There have been seminars, design studios and there has been a great effort into methodology – efforts to create a system into which the increasing expertise on the subject can be subsequently integrated.

In the past summer term, students focused on the spatial aspects of the democratization process in North Africa and some very interesting monographs on Tripoli (Libya) were produced. They managed to unveil some of the devastating effect that the late Gaddafi regime had on the city – especially on its popular quarters. This research was done in co-operation with the Architecture Department of Tripoli University. It also triggered an issue of Bauwelt magazine on Tripoli, displaying some of the research results (Bauwelt 31/2012).

On June 16th 2012, a paper on Spatial Justice was presented by Johannes Fiedler at the Regional Studies Conference in Delft.

Parallel to these activities, Melanie Humann, Manuela Kölke, Ulrike Schacht and Johannes Fiedler have been busy putting together a summary of the proceeds of the Spatial Justice research. Martin Peschken has done a critical reading. The result is the document “Radical Standard – for the Implementation of Spatial Justice in Urban Planning and Design” (see documents attached, German and English versions).

In this paper, the description of the processes and cases leads to a catalogue of Standards which address issues of Land, Networks and Buildings. They constitute what Susan FAINSTEIN describes as “substantive elements of justice” (to be distinguished from the “deliberative elements”).

In other words, what you find in the catalogue is a number of planning and design tools which are assumed to be applicable in any cultural and physical context. For example: the idea that all roads should allow people crossing it on foot at any point. The application of such a simple standard would radically change city space and city life anywhere. This is the “radical” aspect to it.

> Broschüre_Radical Standard_deutsch
> brochure_Radical Standard_english

Spatial Justice Tripoli (Lybia)

In Seminararbeiten am Institut für Städtebau der TU Braunschweig werden im Sommersemester 2012 stadträumliche Eingriffe in Tripolis (Libyen) dokumentiert, die vor allem in den letzten Jahren des Gaddafi-Regimes betrieben worden sind: Die Räumung kleinteiliger, populärer Wohnquartiere zugunsten von institutionellen Wohnanlagen, die Einführung eines „Green Belt“ und zahlreicher Stadtautobahnen. Auch dafür wurden großflächig gewachsene Stadtquartiere dem Erdboden gleichgemacht. Die Neugestaltung der Waterfront im Stadtkern hatte eine weitgehende Deformation des historischen Raumgefüges zur Folge und trennte die Altstadt vom Hafenbecken.


Recherche: Katharina Cielobatzki

April 2012: Johannes Fiedler in Tripolis (Libyen)

Besuch der Tripoli University im Rahmen des Spatial-Justice-Programms der TU Braunschweig. Studierende beider Universitäten behandeln im Sommersemester 2012 die räumlichen Aspekte des Arabischen Frühlings – etwa die Rolle des öffentlichen Raums in der politischen Transformation, die Neunutzung und Neugestaltung der von den vorhergehenden Regimes geprägten Gebäude und Flächen und natürlich die zahlreichen Herausforderungen für eine neue, demokratische Stadtverwaltung. Gemeinsam mit den Professoren Osama Abdul-Hadi und Mustafa Mezughi werden Orte und Themen für das Seminar bearbeitet. Johannes Fiedler dokumentiert die unterschiedlichen Gebiete der Stadt und trifft sich mit zahlreichen Akteuren und Akteurinnen.

2012-08 Bauwelt – Tripolis, eine gezeichnete Stadt

Edward W. Soja zu Gast an der TU Braunschweig

Am 2.11.2011 ist Edward SOJA zu Gast an der TU Braunschweig und kommentiert die Projekte aus den Lehrveranstaltungen zu Spatial-Justice. Es wird die Methodik skizziert, wie aus den einzelnen Fällen allgemeine Regeln und Instrumente abgeleitet werden können. Im Anschluss hält Edward Soja einen Vortrag zum Thema “Towards Spatial Justice”.

Edward Soja – Vortrag

Spatial Justice – Gerechtigkeit als Qualitätsparameter

Kurzdarstellung des Themenschwerpunktes (9/2010):

Die Wertesysteme, die in der Gestaltung von Gebäuden, Stadtraum und territorialer Organisation zur Anwendung kommen, befinden sich in ständiger Veränderung. Neben dem etablierten System “Nachhaltigkeit” wird zunehmend “Gerechtigkeit” als Kriterium für die Raumproduktion angesetzt (siehe:  E. SOJA: Towards Spatial Justice, S. FAINSTEIN:  Just City). Im Gegensatz zu den paternalistischen Vorstellungen der Vergangenheit unterstützen die aktuellen Ansätze zur Herstellung von Gerechtigkeit im Raum kulturelle Vielfalt, Wahlfreiheit und Selbstbestimmung.

In welchen Fällen ist “Gerechtigkeit” für die Disziplinen Architektur und Städtebau relevant?

Die Recherchen im Rahmen des Seminars “Spatial Justice” am Institut für Städtebau und Landschaftarchitektur der TU Braunschweig, das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Theorie von Architektur und Stadt durchgeführt wurde, haben eine breite Palette an Fällen hervorgebracht, in denen “räumliche Ungerechtigkeiten” auftreten und von denen angenommen wird, dass sie durch bessere Planungs- und Entscheidungsprozesse beseitigt werden könnten. Gemäß der Feststellung von Edward Soja zu den ” multiscalar geographies of injustice ” finden sich diese Fälle weltweit und auf allen Maßstabsebenen.

So gibt es auch europäischen Kontext zahlreiche relevante Fälle – im regionalen Maßstab, aber auch in den Maßstäben der  Stadt und des Stadtraumes. Im Regionalen geht es etwa um die gerechte Verteilung öffentlicher Infrastrukturen, um die Prioritäten im Verkehrssystem und in den sozialen Leistungen. Auf der Ebene der Gesamtstadt sind unter dem Aspekt der Gerechtigkeit die Prozesse der ethnischen und ökonomischen Entmischung zu behandeln, Gentrifizierung, aber auch die Bedingungen der Wohnungsproduktion und der Freiraumpolitik. Wie kann Selbstbestimmung und Teilhabe in der Veränderung der Stadt organisiert werden? In den unterschiedlichen Stadträumen stechen vor allem Aspekte der Verteilung der Nutzungen im öffentlichen Raum ins Auge. Welche räumlichen Rechte werden den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer/innen gewährt? Hier trifft sich die Frage nach der Gerechtigkeit mit der Gender-Betrachtung, aber auch mit Lefebvre’s Postulat “Recht auf Stadt”.

Bei allen diesen Aspekten wird das Prinzip des “Öffentlichen” angesprochen.  Welche Rolle hat das öffentliche Prinzip in der liberalen Konsumgesellschaft. Welche Form der Regulierung kann die Teilhabe für alle Stadtbewohner/innen ermöglichen? Ist das Kriterium “Gerechtigkeit” geeignet, dem staatlichen Handeln neue Legitimität zu verschaffen?

Man muss über formelle und materielle Rechte sprechen und man wird sich – angesichts der Unmöglichkeit, vollkommene Gerechtigkeit herzustellen – die Frage stellen müssen: Gibt es räumliche Grundrechte?

 

archurb · 09.11.2010
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